Der heilige Pümpel

Der heilige Pümpel

Die zwei Gestalten standen plötzlich im Hausflur vor mir, als ich den Müll runterbringen wollte. Den Blick gesenkt machten sie den Eindruck, als wollten sie etwas sagen. Also bleibe ich stehen und sah sie erwartungsvoll an. Es dauerte einige Zeit, bis der Größere von den beiden das Wort ergriff. „Wir wollen mit Ihnen über den Pümpel reden!“, sagte er und senkte gleich wieder sein Haupt, so dass ich sehen konnte, dass das Haar oben kreisrund sehr schüttern war.

„Den Pümpel?“, fragte ich verdutzt zurück. Man hatte mit mir schon über einiges an der Haustüre reden wollen. Gott, Versicherungen und falsch geparkte Autos. Pümpel waren neu. Ich versuchte mir einen Reim darauf zu machen. „Sie sind von der Installateur-Innung?“, fragte ich also. Die beiden verneinten. Sie wären Pümpler und wollten mit mir über die Ankunft des großen Pümpels reden. Die Sache interessierte mich jetzt und ich bat die beiden herein. Schüchtern traten sie ein und erzählten von ihrer Religion.

Die Pümpler glauben nämlich daran, dass wir Menschen von einem Gott, der sich Karl-Heinz Lauterjung nennt, nach einem Trinkspiel mit Herbert Schnippering erschaffen wurden. Beide Gottheiten hatten schon eine ganze Reihe an Welten und Universen erschaffen. Aus einer Bierlaune heraus verabredeten sie, dass der Gewinner des Trinkspiels die absurdeste Kreatur, die ihm einfiel, auf die schönste Welt seines Gegners setzen durfte. Und ich müsste doch zugeben, dass unsere Erde ein ausnehmend schöner Planet sei, mit den ganzen Bäumen, Blumen, Vögeln und so.

Bei dem Trinkspiel handelte es sich übrigens um eine simple Variante des bekannten „Buben ziehen“. Dabei wird ein normales Kartenspiel gemischt und die Spieler ziehen abwechseln eine Karte. Wer den ersten Buben zieht, der wählt aus einer ganzen Reihe Schnapsflaschen das Getränk, beim zweiten Buben wird die Flasche aufgedreht, der dritte Bube schenkt ein und beim vierten Buben muss das Getränk auf ex geleert werden. Im Laufe der durchzechten Nacht, grölten die Gottheiten einige zotige Lieder wie „Hoch den Rock, rinn den Pflock“ und „Wir fahren im Puff nach Barcelona“.

Dem Größeren der beiden, waren die Lieder sichtlich unangenehm. Er murmelte ein entschuldigendes „Schnipperings Wege sind unergründlich“ und erklärte, dass der Verlauf des göttlichen Trinkgelages von Lauterjungs Frau Mechthild minutiös aufgezeichnet worden sei. Die Urmutter Mechthild habe ihre Aufzeichnungen dann als Klopapierrolle getarnt auf die Erde geschmuggelt, sozusagen als Warnung an die Menschheit. Die Pümpler würden die heilige Klorolle, vierlagiges Papier, noch an ihrem Fundort im Herrenklo von Willis Eckkneipe, dritte Scheißhaustür rechts, aufbewahren. Die Toilettenkabine wäre ihr heiliger Schrein, an dem sich die Gemeinde an jedem dritten Freitag im Monat treffen würde. Man würde Bubenziehen spielen und den Leidensweg von Schnippering bis zum bitteren Ende nachvollziehen.

Und Schnippering erwischte ein sehr bitteres Ende. Irgendwann in den frühen Morgenstunden, nach einem halben Wasserglas Bommerlunder auf ex sprang er wie von der Tarantel gestochen auf, zeigte mit leerem Blick in den Raum und rief „Ich sehe Befürchtungen in der dunklen Nacht“. Dabei trat er auf eine herumliegende Flasche, verlor das Gleichgewicht, schwebte einen kurzen Moment waagerecht in der Luft und nahm dann die Tischkante hart mit der Stirn. Lauterjung hatte gewonnen und machte sich sofort ans Werk, den Menschen zu erschaffen. Der Kleinere der beiden, der bis jetzt am meisten geredet hatte, nippte an seiner Tasse Tee und sah mich erwartungsvoll an. „Und der Pümpel?“, fragte ich.

Der heilige Pümpel würde so sicher kommen, wie die Buben in einem Kartenspiel, erwiderte der Kleine. Die Welt der Götter und der Menschen sei über den großen Lokus verbunden. Alles was Schnippering und Lauterjung in unsere Welt schaffen wollten, würde im großen Lokus abgespült und landet dann bei uns. So sind dann auch die Menschen auf die Welt gekommen. Und so hätten sie auch die heilige Klorolle der Gottesmutter Mechthild erhalten. Der Weg zurück sei schwieriger, fiel der Große dem Kleinen ins Wort. Um Dinge aus dieser Welt wieder herauszuholen, müsste Schnippering seinen heiligen Pümpel benutzen und sie wieder herauspümpeln. Nur hätte Lauterjung in seiner grenzenlosen Boshaftigkeit Schnipperings Pümpel versteckt und nur er wisse wo. Seither würde der verkaterte Schnippering seinen heiligen Pümpel suchen. Und Gnade uns Schnippering, wenn er ihn finden würde. Dann würden alle Menschen weggepümpelt. Nur den Pümplern würde ein Ehrenplatz an Schnipperings Seite gebühren. Schließlich würden sie für Schnippering an jedem dritten Samstag im Monat an einem galaktischen Kater leiden.

Als die Pümpler ihre Geschichte zu Ende erzählt hatten, sahen sie mich schüchtern an und fragten, ob ich nicht nächsten Freitag mal vorbeikommen wolle. Man würde gerne neue Gläubige in die Religionsgemeinschaft aufnehmen. Im Moment seien sie noch zu viert und da ständen die Chancen gut, eine Spitzenposition einzunehmen, wenn die Menschen erst einmal begriffen hätten, in welcher Gefahr sie schweben würden.

Ich versprach, mir die Sache durch den Kopf gehen zu lassen. Gerade gestern hätte ich allerdings noch mit den Kreuzzüglern gesprochen, die an den großen Schaffner glauben würden. Bei ihnen hätte aber der heilige Zug, der uns alle von der Erde abholen solle, noch Verspätung. Vielleicht ließe sich aber was machen und ich könnte bei den Pümplern mal vorbeischauen. Die Pümpler verabschiedeten sich freudig und betonten noch einmal, wie gerne sie mich willkommen heißen würden.

Leider schaffte ich es am darauffolgenden Freitag nicht in Willies Eckkneipe. Was wohl auch nicht so schlimm war, denn in der Samstagszeitung las ich, dass die Kneipe am Abend zuvor abgebrannt war. Eine Klopapierrolle hatte auf der Toilette Feuer gefangen. Die Polizei vermutete, dass eine Kerze in einer der Toilettenkabinen die Ursache war, konnte sich aber noch keinen Reim darauf machen, was die Kerze dort gemacht hatte. Die vier Gäste der Kneipe und der Wirt seien mit schweren Rauchvergiftungen ins Krankenhaus gebracht worden. Als das Feuer ausbrach, seien sie zu betrunken gewesen, um die Kneipe selbständig verlassen zu können. Schnipperings Wege sind einfach unergründlich, dachte ich und biss in mein Marmeladenbrötchen.

Foto gefunden bei „The God Warriors“ der großartig schräge Kollagen macht.

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